AMSTERDAM (awp international) - Der Medizintechnikkonzern Philips hat im zweiten Quartal trotz des schwierigen Marktumfeldes mehr Neugeschäft eingeworben. Es ist der erste Anstieg des Auftragseingangs seit acht Quartalen für das niederländische Unternehmen, das in den vergangenen Jahren vor allem mit milliardenschweren Klagen wegen fehlerhafter Beatmungsgeräte für die Schlaftherapie zu kämpfen hatte. Der Auftragseingang stieg in den Monaten April bis Juni im Jahresvergleich um neun Prozent - allerdings auf vergleichbarer Basis, sprich währungs- und portoliobereinigt. Der Umsatz stagnierte bei 4,5 Milliarden Euro, wie das Unternehmen am Montag in Amsterdam mitteilte. Vergleichbar legte er um zwei Prozent zu.
Er sei durch den Anstieg des Neugeschäfts "ermutigt", kommentierte Konzernchef Roy Jakobs die Entwicklung. Dieser sei vor allem durch das Wachstum in Nordamerika angetrieben worden. Gegenwind verzeichnet der Konkurrent von Siemens Healthineers dagegen weiter in China - hier führen die Antikorruptionsmassnahmen der Regierung bei der öffentlichen Hand zu Verzögerungen bei der Auftragsvergabe. Healthineers folgt am Mittwoch mit seinen Quartalszahlen.
Die Philips-Aktie sprang am Montagmorgen in Amsterdam um mehr als 9 Prozent an und setzte ihre Erholung damit weiter fort. Im laufenden Jahr konnte der Kurs um ein Viertel zulegen. Das Papier war nach dem milliardenschweren Rückruf der Beatmungsgeräte erheblich unter Druck geraten, so ist die Dreijahresbilanz mit fast 30 Prozent Kursverlust weiterhin negativ.
Der Medizintechnikkonzern habe mit der bereinigten operativen Ergebnismarge (Ebita) positiv überrascht und könne eine starke Auftragsentwicklung vorweisen, notierte Analyst Hassan Al-Wakeel von Barclays in einer ersten Reaktion. Am Markt dürfte das angesichts der vorherigen Sorgen positiv aufgenommen werden. Auch UBS-Experte Graham Doyle lobte das Quartal. Zur Erreichung der bestätigten Jahresziele sei in der zweiten Hälfte noch einiges zu tun. Der stark gestiegene Auftragseingang untermauere aber den Ausblick.
Seine Ergebnisse konnte Philips im zweiten Quartal steigern. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern sowie Abschreibungen auf immaterielle Vermögenswerte (Ebita) verdreifachte sich auf 876 Millionen Euro. Dabei profitierte Philips von einer Versicherungszahlung, die der Konzern erhalten hatte, um Kosten für die im Zusammenhang mit dem Rückruf der fehlerhaften Beatmungsgeräte bestehenden Haftungsansprüche zu decken. Das um Sonderfaktoren bereinigte operative Ergebnis (Ebita) legte von 453 auf 495 Millionen Euro zu und übertraf damit die Analystenerwartungen. Der Nettogewinn wurde mit 452 Millionen Euro mehr als versechsfacht.
Seine Prognose für das laufende Jahr bestätigte der Konzern. Er erwartet weiter ein vergleichbares Wachstum von drei bis fünf Prozent sowie eine bereinigte operative Marge (Ebita) von 11,0 bis 11,5 Prozent. Im ersten Halbjahr lag der vergleichbare Umsatzanstieg bei zwei Prozent und die bereinigte Marge bei 10,3 Prozent.
Philips hatte im Juni 2021 weltweit Millionen Beatmungsgeräte zurückrufen müssen. In den betroffenen Geräten wurde ein Dämmstoff verarbeitet, von dem sich Partikel lösten. Der darin verwendete Schaumstoff steht im Verdacht, im Laufe der Zeit giftig zu werden. Der Rückruf kostete Philips bislang 2,8 Milliarden Euro für die Beseitigung der Mängel sowie Rechtskosten. Darin sind Abschreibungen auf die betroffene US-Tochter nicht enthalten. In den USA war der Verkauf der Geräte im Januar dieses Jahres gestoppt worden.
Im April einigte sich Philips dann mit der Justiz in einem Vergleich auf eine Zahlung von 1,1 Milliarden US-Dollar (rund 1 Mrd Euro). Damit sollen eine anhängige Sammelklage sowie Einzelklagen von Geschädigten beigelegt werden. Die Zahlung wird für 2025 erwartet./nas/ngu/men